Historie
Die folgenden Ausführungen wären nicht möglich gewesen ohne die zahlreichen Hinweise und Quellen engagierter Klotzscher. Besonders hervorzuheben sind die vielen Recherchen der Herren Bannack, Lehmann und Eilert. Ein großes Dankeschön für die fleißige Unterstützung!
Der Bahnhof Dresden-Klotzsche ist ein Kulturdenkmal. Er ist nahezu authentisch erhalten und gibt Einblick in die Bahnarchitektur des frühen 20. Jahrhunderts. Am 1. September 1875 wurde nach einer Unterschriftensammlung Gomlitzer und Lausaer Einwohner ein kleines Stationsgebäude, der Haltepunkt "Klotzsche-Königswald" eröffnet. Nachdem 30 Jahre die Züge ohne Halt durch die Heide fuhren, hielten zu Beginn drei Züge pro Richtung täglich. Zur Eröffnung der Schmalspurbahn nach Königsbrück 1884 wurde das kleine Dienstgebäude um ein größeres Bahnhofsgebäude erweitert und erhielt eine Durchgangshalle für die Fahrgäste der Schmalspurbahn, die ja vor dem Bahnhofsgebäude hielt.
Die steigende Nachfrage führte dann zu umfangreichen Neu- und Umbauten: 1908 wurde der unter Jugendstileinfluss fertig gestellte „neue“ Bahnhof eröffnet. Das klang in der in Klotzsche-Königswald herausgegebenen "Dresdner Heide=Zeitung" so:
"Klotzsche-Königswald, 7. April 1908
Am letzten Sonntag wurden von Dresdener Bahnhöfen nach den Heidestationen 2000 und von Klotzsche nach Dresden 1000 Fahrkarten verkauft.
Die Inbetriebnahme des neuen Empfangsgebäudes ist am 6. April früh 5 Uhr mit Zug 642 erfolgt.
Am gestrigen Montag wurde unser neues Bahnhofsgebäude in Betrieb genommen. Das Innere wie auch das Äußere dieses Baues ist in jener vornehmen Einfachheit gehalten, die den Aufenthalt in einem Raum, in dem man längere Zeit zu verweilen hat, angenehm macht. Das kann für gewöhnlich von den öffentlichen Gebäude, wo einem nur öde Wände entgegengähnen, nicht gesagt werden. Beim Eintritt durch das Hauptportal gelangt man in die ziemlich geräumige Bahnhofshalle. Rechter Hand befinden sich die vornehm ausgestatteten Warteräume mit Restaurationsbetrieb, die (die) Gebr. Selle in Pacht genommen haben, sowie ein besonderer Warteraum für Frauen und Kinder; linker Hand führt ein Quergang zum Bahnsteig. Die Längsseite wird von dem Telegraphenzimmer, den Fahrkartenschaltern und dem Gepäckschalter eingenommen. Die Zeichnung des Baues hat das Kgl. Eisenbahn-Hochbaubureau Dresden geliefert. Die Bauleitung lag in den Händen des Finanz- und Baurats Pilz von der Bauinspektion Dresden-Neustadt I. Von hiesigen Geschäftsleuten waren an der Bauausführung beschäftigt: Architekt Otto, Baumeister Wagenbreth, Tischlermeister Traummann, Klempnermeister Geißler, Dachdeckermeister Bürger und Malermeister Kahle. Als Beleuchtung ist das Gebäude mit dem sogenannten Auerlicht ausgestattet. Die bisherigen alten Dienstgebäude werden umgebaut und architektonisch sowie dekorativ dem neuen Gebäude angepaßt, sodaß unser Bahnhof von Grund aus ein anderes, freundliches Aussehen erhält.“
Dieses prachtvolle Gebäude mit seiner über acht Meter hohen Wartehalle, mit Zierfachwerk und aufwendig gestaltetem Eingangsportal, entstand unter Leitung von Baumeister Max Otto (1874-1953, beigesetzt auf dem Neuen Friedhof zu Klotzsche), als die Bahntrasse dreigleisig ausgebaut wurde. Klotzsche-Königswald entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts zum Ausgangspunkt für Ausflüge in die Dresdner Heide - auch die sächsische königliche Familie gehörte zu den regelmäßigen Ausflüglern und nutzte die Bahn und den Bahnhof für ihre An-und Abreise. Aufgrund des regen Publikumsverkehrs wurde im „neuen“ Bahnhof eine Ausflugsgaststätte mit Biergarten eingerichtet
Für Geschichts- und Bahninteressierte sind auch folgende Daten interessant: 1884, also knapp zehn Jahre nach Inbetriebnahme des Haltepunkts Klotzsche-Königswald, wurde die Schmalspurstrecke Klotzsche-Königsbrück eröffnet. Die Fahrgäste bestiegen die Sekundärbahn auf dem Bahnhofsvorplatz von Klotzsche, vor dem Bahnhofshotel, bzw. sie stiegen hier aus. Das Dienstgebäude der Schmalspurbahn war der um einen Flachbau erweiterte „alte“ Bahnhof. Zur Umladung von Frachtgut wurde eine sogenannte "Umsetzvorrichtung" installiert, in welcher die auf den Schmalspurfahrzeugen aufgesetzten Wagenkästen auf normalspurige Güterwaggons gehoben wurden und umgekehrt. So entstand der angeblich erste „Containerbahnhof“ Europas (Zu dieser Umsetzvorrichtung gibt es im Dresdner Verkehrsmuseum am Neumarkt ein Anschauungsmodell): 1897 wurde die Bahnstrecke dann aufgrund der hohen Nachfrage und aus militärischen Gründen (Truppenübungsplatz Königsbrück) auf Regelspur umgerüstet. In der Folge entstanden ein Rangierbahnhof für Güterwagons sowie ein Schienenanschluss zu den Lagerhallen der Hellerauer Werkstätten an der Langebrücker Straße.
Der Stationsname war bis 1918 "Klotzsche-Königswald". Mit der Abdankung des letzten sächsischen Königs hieß er nur noch "Klotzsche".
Wie jeder Bahnhof wird auch der Klotzscher Bahnhof Abbild seiner Zeit gewesen sein, Anfangs- oder Endpunkt wichtiger Reisen oder alltäglicher Wege. Davon zeugen heute noch die ausgetretenen Stufen.
Aus dem Jahr 1945 haben wir mehrere Zeugnisse gefunden: So schreibt Victor Klemperer in seinen Erinnerungen sehr eindrucksvoll vom Warten auf den Zug im Bahnhof Klotzsche - das erste Mal seit Jahren ohne Judenstern, sondern unerkannt mit anderen Ausgebombten aus Dresden. Einer der wenigen Züge brachte ihn aufs Land.**
Bis Anfang der 2000er Jahre konnte man auf der Gleisseite den von einem russischen Minenspezialist angebrachten Hinweis lesen, dass es Richtung Langebrück keine Minen gebe:
Nach der sinnlossen Sprengung der Brücke am 7. Mai 1945 endeten alle Zügen aus Richtung Osten in Klotzsche. Wie uns Zeitzeugen berichteten, begaben sich die Fahrgäste der übervollen Flüchtlingszüge dann zu Fuß in Richtung Dresden, unterstützt von so manchem Einwohner Klotzsches, die beispielsweise Leiterwagen zur Verfügung stellten. Bereits ab 9. November 1945 war der Nesselgrund mit einer Behelfsbrücke wieder befahrbar.
Zur Bahnhofswirtschaft im Lauf der Zeit gibt es nur sehr spärliche Informationen - welches Speisenangebot wurde angeboten? Was wurde auf den mit weißem Tischtüchern bedeckten Gartentischen des großzügigen Freisitzes angeboten, die auf einer sehr schönen Postkarte zu sehen sind? Auch zur Schließung der Bahnhofswirtschaft gibt es nur den traurigen Hinweis, dass sie in den 1950er Jahren nach einer Prügelei zwischen Deutschen Gästen und Sowjetsoldaten geschlossen wurde.
Wissenswert ist auch, dass das dritte Gleis der Bahnstrecke nach dem 2. Weltkrieg als Reparationsleistung demontiert wurde. In den 1950er Jahren wurde der Bahnhof zum Ausbildungsbahnhof, 1983 um eine Rangiertrainingsanlage ergänzt. Beim Truppenabzug der Russischen Armee 1992 wurde der Großteil des Materials am Bahnhof Klotzsche zum Abtransport gen Osten verladen.
Der Bahnhof steht seit der politischen Wende überwiegend leer, eine Instandhaltung unterblieb durch den Eigentümer DB weitgehend, so dass der Bahnhof zusehends verfiel bis er von der Bahn veräußert wurde. Der jetzige Eigentümer erwarb den Bahnhof Ende 2014 und startete im Frühjahr 2015 mit der Sanierung.
Der Haltepunkt Dresden-Klotzsche ist als Bahn- und Busstation mit täglich mehr als 400 Halten sehr frequentiert, und das verfallende Bahnhofsgebäude störte das Ortsbild von Dresden-Klotzsche. Mit Respekt vor der Originalsubstanz erblüht das Bahnhofsensemble nun als „Biobahnhof Klotzsche“. In den Wartesaal und die ehemalige Bahnhofsgaststätte ist ein Vorwerk-Podemus Biomarkt eingezogen, das ältere Bahnhofsgebäude beherbergt mehrere kleinere Laden- und Gewerbeeinheiten sowie eine Wohnung. Für tausende Bus- und Bahnfahrer, die täglich am Haltepunkt Klotzsche ein-, aus- und umsteigen sowie die Bewohner des Stadtteils Klotzsche hat sich das Gebäudeensemble zu einer gut erreichbaren und stilvollen Einkaufsmöglichkeit für gesunde Lebensmittel entwickelt. Auch wenn die Bahn genauso wie zahlreiche klassische Immobilienentwicker nicht an eine sinnvolle Wiederbelebung glaubten, ist es doch faszinierend, wie schnell und selbstverständlich Dresdner genauso wie Auswärtige den Bahnhof ins Herz geschlossen haben: Vom eiligen Pendler, der sich auf Kaffee und belegte Brötchen freut, den Wanderern, die als Start- oder Zielpunkt die Bahnhofswirtschaft aufsuchen oder Görlitzern, die auf dem Weg in die weite Welt per Flugzeug noch schnell ein qualitätvolles Mitbringsel aus dem Spielzeugladen mitnehmen.
Wenn Sie Begebenheiten zum Bahnhof-Klotzsche kennen oder weitere interessante Fotos haben, dann freuen wir uns auf ein Zeichen von Ihnen.